Martin Fluch im Selbstportrait

Sommer 2017. Wieder einmal dieser kurze Zeitraum, den ich wie jedes Jahr seit nunmehr 20 Jahren in meinem Heimatland verbringen konnte. Und, ich war während diesen Wochen seit längerer Zeit wieder einmal auf dem Dorf, in dem ich aufgewachsen war. Die Realien meiner Kindheitserinnerungen waren allerdings verschwunden.

Hildrizhausen war damals ein kleines Dorf im Schwäbischen mit weniger als zweitausend Einwohnern. Das alte Schulhaus erinnerte an Ludwig Thomas Lausbubengeschichten und das Rathaus neben der für ihr Dach berühmten Kirche an Zeichnungen von Wilhelm Busch. Dampfende Misthaufen glänzten vor den vielen Bauernhäusern im Dorfzentrum und die Straßen waren so eng, dass die Elefanten mit den Ohren an den Fensterläden der Fachwerkhäuser rechts und links hätten hängen bleiben können. Und die engen, mäandernde Straßen zu den anderen Dörfern ringsum führten durch dichte Wälder und duftende Felder.

Ich fragte mich manchmal, wie schwierig es damals war nach Stuttgart zu kommen, wo ich im Dezember des Jahres 1960 geboren wurde.

In München starben 52 Menschen bei einem Flugzeugunglück just an dem Tag, als sowohl der deutsche Schauspieler Jürgen Tarrach, als auch der Deutschlehrer Martin Fluch das Licht der Welt erblickten.

Es war ein gutes Jahr, diese 1960, dieses sogenannte Afrikanische Jahr, denn nicht nur in Afrika begann für 18 Länder eine neue Ära, auch für die USA, wo JFK zum Präsidenten gewählt worden war.

Fred Köther, mein Grundschullehrer, war eine prägende Person in meiner Kindheit. Neben der Mutter, die mir mit ihrem Vorlesen und Vorsingen viele verschiedene Welten eröffnete undmit den wenigen erlaubten Fernsehminuten, die Welt des Bernhard Grzimek und seiner Serengeti. Auch die Welt Moglis, des Dschungels, des Exotischen und Abenteuerlichen.Mein erstes eigenes Buch!

Fred Köther unterrichtete unsere Klasse vonder ersten bis zur vierten Klasse in allen Fächern. Der Sportler und Kunstmaler war der, der mich zum Sport zum Wandern und zum wahrhaften Wald brachte. Naturerleben im Schönbuch.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 1970 änderte sich alles. Zu mir und meinem zwei Jahre jüngeren Bruder gesellten sich bald zwei Stiefbrüder, mit denen wir bald eine verschworene Gemeinschaft bildeten.

Das neue Leben spülte mich in ein Gymnasium in der Stadt.

Ein neues Leben zog mich in seinen Bann.

Eine neue Epoche.

Das Goldberg Gymnasium in Sindelfingen wurde in dieser Zeit von mehr als zwei Dutzend junger Lehrer der 68er Generation geprägt. Und diese Lehrer prägten uns. Nichts mehr mit den Kämpfen eines Gerbers und den verstörenden Verwirrungen der Zöglinge, es war das wirkliche Frühlings Erwachen.

Nach dem Abitur im Jahre 1981 kam ich folgerichtig – wenn schon zum Militär als Pazifist – zu den Fallschirmjägern in der Hermann Hesse Stadt Calw.

Das Studium der Fächer Deutsch und Sport begann im Herbst 1982 in Heidelberg, die Lehrer des Goldberg Gymnasiums hatten einen solchen Eindruck auf mich gemacht, dass kein anderer Beruf als der des Lehrers für mich in Frage kam.

Die 80 und 90er Jahre waren gekennzeichnet durch eine massive Lehrerstellenknappheit – für manche Fächerkombinationen gab es nahezu Einstellungsstopp – und der Lehrerberg wuchs und wuchs. Jeder zweite Taxifahrer in Heidelberg schien Lehrer zu sein. Das war auch ein Grund mein Studium auf 20 Semester auszudehnen.

Hinzu kamen die unzähligen Reisen, u.a.:
– Per Anhalter nach Sizilien (Besuch des goetheschen vor Ort und Besteigung des Ätna (3350m) weder mit Erfahrung noch Ausrüstung)
– 3 Monate zu Fuß und per Daumen durch Neuseeland
– Erste Südamerikareise, drei Monate, mit den Besteigungen des Tungurahua in Equador (5023m) und des HuaynaPotosi in Bolivien (6088m)
– Auf wilden Wegen 3 Monate quer durch Madagaskar
– Zweite Südamerikareise, 16 Monate, durch alle Länder mit Zug, Bus, zu Fuß, per Schiff. Mit den Besteigungen Acocagua (6962m) in Argentinien, evado Sajama (6542m) in Bolivien, ElMisti (5822m) in Peru, Pico Bolivar (4978m) und PicoHumbold (4940m) in Venezuela, sowie einer abenteuerlichen Durchwanderung des Darien Gap von Panama nach Kolumbien – eine „Grenzerfahrung“.
Ein weiteres Motiv dieser langen Reise war die Sammlung von Materialien (u. a. Interviews) in deutschen Kolonien (Pozuzo, Villa General Belgrano, Blumenau, Colonia Tovar) für die wissenschaftliche Zulassungsarbeit „Spracherhalt und Sprachverfall in deutschen Kolonien Südamerikas“ im Bereich der Soziolinguistik.

Das erste Staatsexamen wurde 1993 erfolgreich abgelegt und es erfolgte erst einmal eine feste Anstellung in der Gastronomie als Barleiter in der In-Kneipe Eckstein in der Altstadt von Heidelberg, in der ich jahrelang mein Studium finanziert und mein Privatleben durcheinander gewirbelt hatte.

Die erste Lehrerstelle nach dem Referendariat in Heilbronn dauerte am Privatgymnasium Heidelberg College nur ein Jahr, da ich mich sofort entschlossen hatte im September eine Stelle als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache im Ausland anzutreten.

Und so unterrichte ich seit nunmehr 20 Jahren im Ausland: 8 Jahre Ukraine, 4 Jahre Kirgistan, 3 Jahre Usbekistan, 5 Jahre Georgien.

Besondere Aktionen in dieser Zeit:
– In 55 Tagen im Kanu von der Donauquelle zum Schwarzen Meer (2.811 km)
– Selbst organisierte Jubiläumsbesteigung (80 Jahre nach der Erstbesteigung) des Pik Lenin (7.134m)
– Spendenlauf von Bischkek nach Osch in 11,5 Tagen (588 km)
– Staffellauf mit 8 weiteren Läufern (zusätzlich 1 Fahrrad, 1 Inliner) um den IssykKulals – Spendenlauf für ein Kinderheim bei Karakol (440 km in 40 Stunden)

Geplant im Sommer 2018: Auf Cross-Skates vom Kaukasus zum Königstuhl – circa 90 Tage, etwa 4.500 km

Hier werde ich starten: Goderzi-Pass im Kleinen Kaukasus, 2.025 m.

Kategorien: Martin's Logbuch